Freitag, 28. September 2018

Milano, Teil 2


"Porca miseria, perchè non lo ha fatto scendere?" fragte sich Enrico, sagte aber nichts. Die Lage, die so einfach schien, wurde schön langsam verzwickt und unübersichtlich. Ahmed ahnte wohl, dass weder Enrico noch Amalia die Lage unter Kontrolle hatten und ging nach vorne zum Fahrer, in der Hoffnung, dass sich alles als einfaches Missverständnis aufklären würde. Doch er und der Fahrer blickten sich lediglich schweigend an, sodass ihm nichts anderes übrigblieb, als an seinen Sitzplatz in der dritten Reihe zurückzukehren.
Amalia erleuchtete daraufhin ein Geistesblitz, den sie nicht für sich behielt. "Tu dovere subito chiamare la hotline di Sternbus e loro ti dare un nuovo biglietto gratis." Ahmed reagierte nicht. Hatte er den Ratschlag nicht verstanden oder war er mit den Gedanken woanders?
Jedenfalls trat der Fahrer auf den Plan: "Tu parlare tedesco o italiano?" Er hätte sich also den Sprachkenntnissen Ahmeds angepasst, aber dieser reagierte wieder nicht. Amalia furchte angestrengt ihre Stirn, würfelte ein paar Gedanken und wandte sich endlich an ihre Tochter: "Du hosch ja Englisch in der Schual. Red du mit ihm!"
Der Sternbus fuhr weiterhin Richtung Norden, Meran war nicht mehr fern, das Gipfelmassiv mit Zielspitze, Tschigot und Mutspitze rückte den Reisenden immer näher. Niemand allerdings stellte sich die Frage, wie viel Zeit Ahmed zum Umstieg in Bozen gehabt hätte, ob also, kurz gesagt, der Bus nach Mailand bereits abgefahren war. Enrico ging augenscheinlich davon aus. "Oggi non puoi più andare a Milano, hai perso l'ultima coincidenza. Ti conviene chiamare la hotline, forse ti danno un nuovo biglietto per domani. Oggi devi restare a Bolzano."
Der Fahrer wiederum erklärte, dass er nach der Ankunft in Meran wieder nach Bozen zurückkehren würde und durchaus bereit sei, Ahmed mitzunehmen. Diese Geste des Entgegenkommens würde Ahmed wenigstens einmal nach Bozen bringen. Das weitere Vorgehen war kompliziert, an eine Weiterreise mit dem Zug dachte niemand.
Mittlerweile befand sich der Bus im Stadtgebiet. Die hilfsbereiten Amalia und Enrico sponnen an der Option, Ahmed doch vor dem Bahnhof aussteigen zu lassen, damit er den nächsten Zug nach Bozen nehmen könnte. Plötzlich und unerwartet meldete sich der verzweifelte Ahmed zu Wort: "Prima di Milano non c'è Trento?" Enrico bejahte. Ahmed erklärte, er wolle mit dem Taxi nach Trient fahren und dort in den verpassten Sternbus zusteigen. Entschlossen gab Enrico dem Fahrer die Anweisung anzuhalten. Sie befanden sich vor dem Meraner Bahnhof, an dem bestimmt auch Taxis abgestellt waren. "Chiedi quanto costa la corsa" rief Enrico dem dankend eilig aussteigenden Ahmed nach.
Als die Tür des Sternbusses wieder geschlossen war, zeigten sich auf Enricos Stirn Sorgenfalten. "Chiederanno di sicuro 200 euro per il tratto da Merano a Trento." Während sich Amalia vor Schreck die linke Hand vor den geöffneten Mund warf, schaltete sich der Fahrer ein: "Wo hat Mann überhaupt hingewollt?"
In wenigen Minuten würde der Sternbus am Endbahnhof nahe der Therme ankommen. Der Fahrer gab in gebrochenem Deutsch eine Anekdote aus seinem Busfahrerleben, in der es um einen Fahrgast und einen wohl verloren gegangenen Koffer ging, zum Besten. Seine Erzählung war bespickt mit Anfällen von prustendem Gelächter, Enrico und Amalia reagierten nicht. Ahmed natürlich auch nicht, er war ja bereits ausgestiegen.
Eine Weile war der Friseur noch mit dem Preis einer Taxifahrt von Meran nach Trient beschäftigt und weihte Amalia diesbezüglich ein. Dann aber wandten sich seine Gedanken der Moral der ganzen Geschichte zu. "Chi dorme, non piglia un pesce" wiederholte er mehrmals, ohne zu ermüden und meinte damit den armen, auf der Fahrt von München nach Bozen, ja fast bis Lana schlafenden Ahmed.
Als Enrico wenig später dem Reisebus am Busbahnhof nahe der Therme entstieg, zierte der elegante Hut bereits sein Haupt.  

Donnerstag, 27. September 2018

Vermoispitze

Heute ging es von St. Martin im Kofel auf die Vermoispitze (2929 m). Wieder erwischte ich ein Bilderbuchwetter. Meine Ferse ließ zwar leider keinen Lauf zu, dennoch bewältigte ich die 1200 hm (4,2 km) mit flottem Schritt in 1h14'. Die zweite Hälfte ist vollständig der Sonne exponiert, trotzdem war die Temperatur kein Problem. Etwas trügerisch ist die Tatsache, dass man den Gipfel schon von weit unten sieht- man glaubt, bald oben zu sein- und dann zieht sich das Ganze doch noch ziemlich.
Bergab ging es dann im Laufschritt, nach einer Mahlzeit in St. Martin joggte ich gleich noch hinunter nach Latsch- ich hatte wohl Lust auf einen ordentlichen Muskelkater (2400 hm waren es bergab). Viel besser aber sprechen die Bilder:
erster Blick zurück nach 30'

und nach vorne





Blick nach Norden

Nordwesten

Süden mit Martelltal, Laaser Spitze


rechts im Vordergrund die Laaser Spitze (3.305 m), dahinter Cevedale, Königsspitze und Ortler


St. Martin im Kofel

eine kleine Stärkung

Blick zurück von den Annenberger Böden (hier bin ich mit noch verlaufen und habe 20 Extraminuten eingelegt)

Mittwoch, 26. September 2018

Milano, Teil 1


Der dunkelhäutige Mann in der dritten Sitzreihe rechts schrak auf. Er hatte wohl längere Zeit tief und fest geschlafen und unter Umständen dabei sogar geträumt. Im Augenblick seines Aufschreckens jedenfalls befand sich der Sternbus, in dem er in der dritten Sitzreihe rechts saß, auf der Mebo, einer Schnellstraße, in Richtung Meran.
"Milano?" krächzte er fragend in leicht panischem Ton.
Zwei Reihen vor ihm saß eine etwas festere Frau, neben ihr ihre Tochter. Besagte Dame hatte auf der gesamten Fahrt von München nach Bozen mit dem offenbar österreichischen Fahrer Weisheiten ausgetauscht, gnadenlos, eine nach der anderen. Und die Fahrgäste, die in der vorderen Bushälfte saßen, waren gewollt oder ungewollt Zuhörer der oben erwähnten Gespräche geworden.
Der ebenfalls massige österreichische Busfahrer war in Bozen ausgestiegen und hatte an einen anderen Fahrer übergeben und denselben während der Übergabe mit einem sagenhaften Redeschwall übergossen. Der neue Fahrer dürfte davon herzlich wenig mitbekommen haben- er war, wie sich bald herausstellen sollte, im Deutschen nicht über die Maßen bewandert.
Wir wollen nicht abschweifen! "Milano!?" hatte unser dunkelhäutiger Mann, soeben dem Reich der Träume entwichen, verunsichert gerufen, ja beinahe geseufzt.
Die Antwort kam natürlich von der wohlbeleibten Frau mit der ausgeprägten sozialen Ader: "Sì, noi andare a Merano." Die Sache schien geritzt, war es aber nicht.
In der ersten Sitzreihe links saß ein Herr mittleren Alters, der in Innsbruck zugestiegen war und sich dabei eines eleganten Hutes entledigt hatte. Gestehen wir es, selbiger Herr arbeitet als Friseur im Schlanderser Krankenhaus. Genau selbiger Friseur wurde vom "Sì, noi andare a Merano." auf den Plan gerufen. "Ma non ha detto Milano?"
Unsere mollige Frau war verdutzt- und wenn der dunkelhäutige Mann wirklich Milano gesagt hatte? Da musste man unverzüglich nachsetzen: "Tu andare a Merano o Milano?" Sie war ziemlich aufgeregt, auch ihre Tochter hatte sich bereits nach hinten gedreht und starrte den dunkelhäutigen Mann unverwandt an. Meine Güte, die Fahrt wurde jetzt richtig aufregend! Und noch dazu befand sich Mama mitten drin im Geschehen.
Unser Frager war zwar noch etwas schläfrig, wiederholte sein Milano aber dermaßen deutlich, dass der Friseur und auch die korpulente Frau, die wir Amalia nennen wollen, keinen Zweifel mehr hatten.
Der Fahrer hingegen bekam von der aufregenden Angelegenheit vorläufig noch nichts mit. Die Hände hatte er zwar am Lenkrad und die Augen und damit den Blick auf die Mebo gerichtet, in Gedanken aber kippte er gerade ein Schnäpschen in irgendeiner Bar in irgendeinem Dorf in seinem Heimatland Tschechien.
Der Friseur war zweifelsfrei der cleverste aller Beteiligten. Das hätte man bereits an seinem eleganten Hut, den er beim Einsteigen in Innsbruck, wie gesagt, abgelegt hatte, erkennen können. Mehrmals erklärte er, dass der österreichische Fahrer vor der Ankunft in Bozen, ebenfalls mehrmals, durchgegeben hatte, dass die Fahrgäste mit Ziel Rom oder Mailand umsteigen mussten.
Unser dunkelhäutiger Mann hatte allerdings tief und fest geschlafen und von der Durchsage des Fahrers nichts mitbekommen. Aber selbst wenn er wach gewesen wäre, hätte er letztere wahrscheinlich nicht verstanden. Es war, wie es war- er hatte ein Ticket nach Milano und saß im Bus nach Merano. Mehr noch sogar: er hatte nicht nur ein Ticket nach Milano, sondern er musste auch nach Milano. Den Umstieg hatte er verpasst und verpennt und jetzt saß er im Bus nach Merano, mit Amalia mit Tochter und dem Friseur zwei Reihen vor sich und dem tschechischen Fahrer hinter dem Lenkrad.
Dem Friseur dämmerte, dass allerhöchste Eile geboten war. Ahmed, wie wir unseren Sternbus-Reisenden mit Ziel Milano nennen wollen, musste unverzüglich zurück nach Bozen, Meran war die komplett falsche Richtung. Es ist nicht auszuschließen, dass der Friseur Enrico hieß. Enrico also beschloss kurzerhand, den Fahrer in die missliche Lage des Fahrgastes mit einzubeziehen, umriss kurz und prägnant die Sachlage und bat den Fahrer, Ahmed vor dem Bahnhof Lana-Burgstall abzuladen, damit er unverzüglich mit dem nächsten Zug nach Bozen fahren könne. Der Sternbus war mittlerweile nämlich auf dem Weg von der Haltestelle Lana zurück auf die Mebo. Das Problem schien gelöst, der Fahrer hatte aufmerksam zugehört und nickte verständnisvoll.
Der Fortgang der Handlung allerdings verlief entgegen Enricos weitblickendem Plan. Anstatt Ahmed aussteigen zu lassen, kehrte der Sternbus schnurstracks auf die Mebo zurück- verständnisvolles Nicken des Fahrers hin oder her.
"Porca miseria, perchè non lo ha fatto scendere?" fragte sich Enrico, sagte aber nichts. Die Lage, die so einfach schien, wurde schön langsam verzwickt und unübersichtlich.

Donnerstag, 20. September 2018

Bärige Runde über die Spronser Seen

Tolles Wetter mit sommerlichen Temperaturen luden heute zu einer bärigen Wanderung ein. Von der Leiteralm ging es über das Hochganghaus auf die Hochgangscharte, über die Spronser Seen zur Oberkaser Hütte, von dort über den Mutkopf auf die Hochmuth. Insgesamt waren es 15 km mit + 1000, - 1.100 hm, die ich im Eilmarsch in exakt 3h23' (inklusive zehnminütiger Ess- und Trinkpause, die ich nach knapp 3 h einlegte) absolvierte. Laufend ist die Runde wohl in gut zwei Stunden zu schaffen.
Diesem Ausflug widme ich folgendes Zitat (selbst hatte ich ja keine Zeit zum Dichten):
"Das Neue ist aber unter allen Umständen das Böse, als das, was erobern, die alten Grenzsteine und die alten Pietäten umwerfen will; und nur das Alte ist das Gute! Die guten Menschen jeder Zeit sind die, welche die alten Gedanken in die Tiefe graben und mit ihnen Frucht tragen, die Ackerbauer des Geistes. Aber jenes Land wird endlich ausgenützt, und immer wieder muß die Pflugschar des Bösen kommen."

im Korblift ging es von Vellau auf die Leiteralm
Blick aufs Hochganghaus



in der Hochgangscharte



immer noch

Langsee

Blick Richtung Ortler



Grünsee





Hirzer und Kollegen auf der anderen Talseite

Samstag, 15. September 2018

Wanderung über die Hirzer Scharte

Am heutigen Samstag war ich nicht untätig und habe das schöne Wetter zu einer ebenso schönen Wanderung genutzt.
Zuerst bin ich mit der Seilbahn von Saltaus nach Klammeben gefahren, dann war aber Schluss mit der Mechanik. Von knapp 2000 m ging es auf die Hirzer Scharte auf über 2700 m. Diese ersten knapp 800 hm erledigte ich im Eilmarsch, im Gegensatz zu Hannibal hatte ich keine Elefanten dabei und war nach einer Stunde am Joch. Den Europäischen Fernwanderweg entlang ging es am Kratzberger See vorbei zum Missensteiner Joch, von dort noch auf die Kuhleitenhütte unterhalb des Ifingers. Endstation war dann Falzeben.


auf den letzten 100 Höhenmetern der Hirzer Scharte
Blick auf den Hirzer

Blick auf die Plattenspitzen und rechts den Ifinger

Blick auf die Hönigspitze


Kratzberger See


Missensteiner Joch




Blick auf den Ifinger